Schachcomputer fordern Schachengines heraus

Ziel war die Schaffung einer Übersicht. Dabei sollte auch klar sein, dass die Neunziger Jahre nicht mehr den Maßstab bestimmen. Die Zeit, die den Übergang einleitete als Schachprogramme am PC zunehmend für auch starke Schachcomputer zur ernsten Konkurrenz wurden. Die Entwicklungen schritten in immer eiligerem Tempo voran und das Blatt wendete sich recht bald. Zumindest grundsätzlich, nicht aber unbedingt zwingend und ebenso nicht allgemeingültig. Außenseitersiege sind keine Seltenheit und belegen eigentlich die Dynamik die im Schach steckt. Die Elozahl ist ein Parameter, der eine Art statistischer Einschätzung liefern kann, vor allem wenn langfristige Testverfahren für den zu berechnenden Durchschnittswert eine hohe Wahrscheinlichkeit zugrunde legen. Trotzdem passiert es bei Begegnungen in Testmatches oft, das die Ergebnisse in jenen stark variieren. Anzunehmen ist, dass bestimmte Schach-Positionen von Programmroutinen nicht innerhalb ihres Horizonts abgearbeitet werden können, d.h. häufiger als erwartet an ihre Grenzen stoßen.

Die von mir angelegten Schnellturniere geben nur einige Bilder ab, sozusagen Momentaufnahmen. Inzwischen ist es möglich, moderne Software, wie leistungsfähige UCI-Engines und implementierte Emulationen von Schachcomputern aus früherer Zeit, gegeneinander in einem Engine-Computerturnier spielen zu lassen. Projekte dieser Art ermöglichen so schnelle Resultate in Form einer Voransicht. Gesetzt man hat etwas Übung in den Einstellungen, lassen sich interessante Erkenntnisse produzieren, die diese Thematik mehr und mehr verfeinern. Allerdings braucht das auch erheblichen Zeitaufwand. Selbst automatisierte Spielroutinen können für einen Matchdurchgang Tage beanspruchen, zumal Fehler in den Softwareabläufen ein ständiger Begleiter sind. Dadurch wird es teils notwendig, die Parameter erneut anzupassen und gegebenenfalls Testläufe wiederholt zu starten.

Für die Zusammenstellung des Teilnehmerfelds gibt es somit einige Aspekte zu beachten. Gleicher Punkt gilt auch der Schnittmenge. Deshalb verwendete ich Engines, die sich im unteren Mittelfeld der CCRL-Liste befinden. Nicht nur wegen der Chancenverteilung, sondern auch um festzustellen in wie weit sich die Spielstärke der Engines selbst im realistischen Bereich ansiedelt. Grundsätzlich ist zu sagen, das dem weitgehend so sein dürfte. Als Tendenz, was allerdings nicht immer so ist und bestimmte Spielabschnitte trotz allem gewisse Defizite zu Tage fördern. Zurück zum Vergleich. Hier nehmen starke Schachcomputer von ca. 1989 -1995 teil. Diese greifen auf ihre Eröffnungsbücher, ihre internen Hashtables (falls vorhanden) sowie ihre originale Hardwareleistung zurück. Identisch wie zur damaligen Zeit. Die teilnehmenden Engines verwenden die Hardware eines Mittelklasse Laptops und sind OpenSource-Programme, welche die UCI-Schnittstelle nutzen um mit modernen Schachprogrammen interagieren zu können.

Den Arbeitsaufwand zu betreiben, hier Hunderte von Games als PGN einzustellen, analysiert durch Stockfish und Co., ist mir definitiv nicht möglich. Dafür gibt es die CCRL-Ranglisten. Erwähnt sei vorab auch, dass die abgesenkte SSDF-Eloliste aus dem Jahr 2000, dem Leistungsbereich der alten Schachcomputer mehr entsprechen dürfte als es hingegen frühere Listenwerte vermittelten. Gegenwärtiges Ziel ist es nicht, neue Werte zu ermitteln, weil es nie allgemeingültige Eichungen geben kann. Stattdessen will ich vordergründig nur Impulse geben, die jeder in eigene Arbeiten mit einfließen lassen kann. Es existieren in jedem Turnierdurchgang zu viele Abweichungen. Gerade dadurch wird es niemals zuverlässige Endwerte geben, weil sich die Maschinen in fast jedem Match anders verhalten als eigentlich spekulativ angenommen.

Das untenstehende Teilnehmerfeld, das ich kurz vorstellen möchte, wird von mir, um sich ein Bild von den ersten Ergebnissen machen zu können, mit einigen grundlegenden Angaben versehen.

Zur Berechnung der Performance (temporär) aus den bisher gespielten Turnieren, verwende ich den Mittelwert. Weitere Auswertungen in Turnieren folgen und können diesen Wert natürlich in beide Richtungen beeinflussen. Der Elo-Wert ist somit stets ein beweglicher Leistungswert.

Teilnehmerfeld der Schachcomputer: eine Auswahl starker, namhafter Geräte

Fidelity Designer Mach IV

Performance: 0 Pkt.

Fidelity Elite Avantgarde V9

Elo Rating: 2074 – Performance: 2030 Elo

Fidelity Elite Avantgarde V10

Elo Rating: 2086 – Performance: 2125 Elo

Fidelity Elite Avantgarde V11

Elo Rating: 2191 -Performance: 2115 Elo

Mephisto Berlin 68000

Elo Rating: 2015 – Performance: 1957 Elo

Mephisto Berlin 68020 Professional

Elo Rating: 2126 – Performance: 2135 Elo

Mephisto Genius 68030

Elo Rating: 2198 – Performance: 2097 Elo

Mephisto Montreux

Elo Rating: 2094 – Performance: 2068 Elo

Novag Scorpio 68000

Performance: 0 Pkt.

Teilnehmerfeld der Schachengines: eine Auswahl an Engines des unteren Mittelfelds

Aice 0.99.2

Elo Rating: 2338 – Performance: 2444 Elo

ALChess v.1.5b

Elo Rating: 1738 – Performance: 1736 Elo

ALChess 1.84

Elo Rating: 1991 – Performance: 2196 Elo

BikJump v.2.01 32-bit

Elo Rating: 2086 – Performance: 2276 Elo

CT800 V.1.12 64-bit

Elo Rating: 2218 – Performance: 2285 Elo

CT800 V.1.41 64-bit

Elo Rating: 2393 – Performance: 2430 Elo

Jazz Orchestra 840 64-bit

Elo Rating: 2236 – Performance: 2286 Elo

Monarch 1.7

Elo Rating: 2046 – Performance: 2099 Elo

Napoleon 1.5

Elo Rating: 2125 – Performance: 2149 Elo

Anhand dieser Resultate wird erkennbar, das sich die Engines mehr nach oben abgrenzen, während die Schachcomputer erhebliche Schwierigkeiten haben ihre Position zu halten. Nicht pauschal, aber in der Tendenz. Entscheidend auf Seite der Engines ist hier deren Rechentiefe, wo taktische Motive effizienter errechnet werden. Wogegen die Programmierer damals einfach nicht die Möglichkeiten hatten, weil die Hardware seiner Zeit noch bei weitem nicht die Dimension erreichte, die jetzt weit übertroffen verfügbar ist. Die ROM´s wurden jedoch maximal genutzt und im Zusammenspiel mit den RAM-Hashtables konnte trotzdem eine erstaunliche Spielstärke generiert werden. Basiert auf Schachwissen (Eröffnungsbibliotheken, Bauernstrukturen ect.) ermöglichte das den Pionieren von einst, noch eine längere Zeit, zumindest gegen rein rechenlastige Software gegenzuhalten.

Wenn dem nicht so wäre, könnte es inzwischen keine Lichtblicke mehr geben, in denen die alten Programme gelegentlich sogar triumphieren können.

Sonst wäre es weniger wahrscheinlich, das ein Schachcomputer wie der Mephisto Berlin 68020 Professional, die Engine Napoleon 1.5 und die BikJump v.2.01 schlägt und in der Kreuztabelle des dritten Turniers auf Platz 2 landet. Oder ein Mephisto Montreux die CT800 v.1.12 besiegt, wobei jene immerhin die AICE 0.99.2 schlagen konnte. Gegen AICE 0.99.2 kam der Mephisto Montreux sogar auf ein Remis. Ein absolut beachtenswertes Unterfangen. Derselbe Geniestreich gelang auch dem Fidelity Elite Avantgarde V9 im Turnier gegen die bekannte Engine AICE 0.99.2, die in diesem Feld überwiegend dominierte, trotzdem hier nur ein Remis gegen den Schachcomputer holte.

Gegen die Engine Jazz Orchestra 840 schnappte sich der Fidelity Elite Avantgarde V10 einen Sieg. Dasselbe gelang überraschend auch dem Mephisto Berlin 68000, der im vierten Rundenturnier sogar vor dem Mephisto Berlin 68020 Professional in der Rangliste stand und im Direktvergleich die Oberhand hatte. Obwohl der Mephisto Berlin 68000 im vierten Durchlauf doch gegen den Pro das Nachsehen hatte, so waren es doch diese Partien, die den Turnierverläufen ihre sporadische Dynamik verschafften.

Eines bleibt natürlich unbestritten, die Engines, welche die Turnierdurchgänge angeführt haben, werden mit hoher Wahrscheinlichkeit die Grenze darstellen. Unbestritten ist gleichermaßen, das deren Elowert seine Berechtigung haben dürfte. Trotzdem werde ich immer wieder so manchen Testlauf durchführen, weil mich zuletzt genauere Ergebnisse einfach interessieren.

Rangliste gesamt: die ist aber temporär und kann sich mit weiteren Turnierergebnissen verändern.

  1. AICE 0.99.2 (Anastasios Milikas)
  2. CT800 v.1.41 64-bit (Rasmus Althoff)
  3. Jazz Orchestra 840 64-bit (Evert Glebbeek)
  4. CT800 V.1.12 64-bit (Rasmus Althoff)
  5. BikJump v.2.01 32-bit (Aart Bik)
  6. ALChess 1.84 (Alex Lobanov)
  7. Napoleon 1.5 (Marco Pampaloni)
  8. Mephisto Berlin 68020 Professional (Richard Lang)
  9. Fidelity Elite Avantgarde V10 (Dan & Kate Spracklen)
  10. Fidelity Elite Avantgarde V11 (Dan & Kate Spracklen)
  11. Monarch 1.7 (Steve Maughan)
  12. Mephisto Genius 68030 (Richard Lang)
  13. Mephisto Montreux (Johan de Koning)
  14. Fidelity Elite Avantgarde V9 (Dan & Kate Spracklen)
  15. Mephisto Berlin 68000 (Richard Lang)
  16. ALChess v.1.5b (Alex Lobanov)
  17. Novag Scorpio 68000 (Dave Kittinger)

Der „Fidelity Designer Mach IV“ konnte nicht in die Wertung mit einfließen, weil ein Syntaxfehler während des Programmaufrufs auftrat.

Ein Update mit sehr vielen weiteren Partien ist bereits am Laufen. Der Novag Scorpio 68000 ist dann wieder neben vielen anderen mit von der Partie.